Projekte
Bach Partita d minor - A New Transcription
Johann Sebastian Bach
Partita d-moll BWV 1004
original für Violine solo
arrangiert für Gitarre von Wulfin Lieske
Die "Chaconne" von Johann Sebastian Bach gehört zu den wesentlichen Manifestationen klassischer Musik und erlangte schon zu Beginn des 20. Jh. einen quasi mythischen Status bei Musikern und Publikum gleichermaßen. Angesichts ihrer monumentalen Anlage und ihrer anspruchsvollen interpretatorischen und spieltechnischen Herausforderungen wurde sie in der allgemeinen Wahrnehmung aus ihrem kompositorischen und oft auch historischen Kontext herausgelöst und gerierte zum Paradestück ambitionierter Solisten.
Johann Sebastian Bach begann die Komposition der "Ciaccona" in seiner Weimarer Zeit (1708-1717) - 1720 erschien die Reinschrift in Köthen. Als Abschluss der fünfsätzigen Partita Nr. II in d-Moll. Sie ist so Teil des Zyklus "Sei Solo. a Violino senza Basso accompagnato“ (BWV 1001-1006). Mit den drei Sonaten und drei Partiten in alternierender Folge hat Bach den satztechnischen Beschränkungen der Violine zum Trotz einen einzigartigen kompositorischen Kosmos geschaffen. Strengen Formen wie Fugen und weitgehend einstimmigen motorischen Allegro-Sätzen steht eine Vielfalt von Tanzsätzen unterschiedlicher Stilistik gegenüber. In der Partita d-moll sind alle Sätze durch eine einfache und markante Harmoniefolge verknüpft. Durch Bach's Verzicht auf ein Präludium bilden die typischen Tanzsätze Allemanda, Courante, Sarabanda und Gigue quasi eine Suite für sich, die durch die Ciaccona mit ihren 64 Variationen des viertaktigen Harmonieschemas gekrönt werden.
In der Bearbeitung für Gitarre werden die kompositorischen Strukturen verdeutlicht und zu einer der Idiomatik des Instruments gemäßen Klangsprache weiter entwickelt. Diese orientiert sich sowohl an Bach's eigenen Bearbeitungen, als auch an der Spielpraxis der Barocklaute. So konnte eine einseitige Behandlung der Ciaccona vermieden werden. Aspekte berühmter romantischer Bearbeitungen wie die von Ferucci Busoni und in der Nachfolge auch die von Andrés Segovia blieben dabei trotz ihrer stilhistorischen Bedeutung unberücksichtigt.
Anmerkungen zur Edition
Der vorliegenden Bearbeitung liegt der Text der Neuen Bachausgabe (Bärenreiter BA 5116) zugrunde. Bei dem an wenigen Stellen vom Urtext abweichenden Passagen sind die originalen Noten in eckiger Klammer oder im Anhang vermerkt. Zusätzliche Noten dagegen sind durch eine runder Klammer gekennzeichnet. Weitere Aufführungsalternativen finden sich ebenfalls im Anhang. Die Dauer der Bassnoten bzw. von Akkorden ist im Manuskript nicht immer eindeutig dargestellt - auch in der Bearbeitung bleibt dies zumeist dem Ermessen des Interpreten überlassen, entsprechend wurde auf eine konsequente Setzung der Pausen verzichtet. Oft bietet sich dabei an die Dauer der Basstöne der (originalen) Phrasierung anzupassen: sind zum Beispiel in der Oberstimme die ersten drei einer 4-Sechzehntel-Gruppe gebunden so kann die begleitende Bassnote nach einer punktierten Achtel beendet werden. In der Courante können bei einer schnellen Ausführung die punktierten Achtel (mit der folgenden Sechzehntel-Note) im Verhältnis 2:1, also triolisch, ausgeführt werden.
Grundsätzlich sind die Veränderungen gegenüber dem Original nicht gesondert gekennzeichnet, sie treten aber im unmittelbaren Vergleich mit dem angefügten Original-Manuskript zutage. Lediglich hinzugefügte Verzierungen wurden in Klammern gesetzt. Einige Aufführungsalternativen wurden als "ossia" in kleinem Druck dargestellt. Diese können - vor allem in der Sarabanda - für die Wiederholungen verwendet werden. Der den beiden ausgearbeiteten Arpeggio-Passagen in der Ciaccona zugrunde liegende Originalsatz findet sich ebenfalls im Anhang.
Bachs originale Phrasierungsbögen wurden konsequent beibehalten. Technische Bindungen sind durch gestrichelte Bögen dargestellt.
Der Fingersatz versteht sich selbstverständlich als Vorschlag zur Umsetzung Bachs für die Violine konzipierte Phrasierung mit den Mitteln der Gitarre. Dabei wurde einer aus der Idiomatik der Gitarre entwickelten Satz- und Spieltechnik - gegenüber einer wörtlichen Übertragung - der Vorzug gegeben. Die spieltechnische und klanglich Umsetzung bleibt dadurch in einem angemessen Verhältnis zur musikalischen Aussage. Die Fingersätze dienen darüber hinaus einer klanglichen Orientierung und wurden auf das Wesentliche beschränkt.
Eine weitere Vertiefung in die barocke Aufführungspraxis bieten die nachstehende Publikation.
Richard R. Efrati
Johann Sebastian Bach
Die Interpretation der Sonaten und Partien für Violine solo und der Suiten für Violoncello solo
Atlantis 1979 ISBN 3 7611 0550 9